PSYCHISCHE BEEINTRÄCHTIGUNGEN
Es gibt über 250 Süchte. Neben den bekanntesten Süchten wie Alkohol-, Drogen- und Medikamentensucht gibt es noch die Spielsucht-, Handy-, Kauf-, Beziehungs-, Sex-, Sportsucht und viele mehr. Im Grunde genommen kann jeder von fast allem süchtig werden, wenn es zur Regulierung von negativen Gefühlen notwendig ist. Die WHO (Weltgesundheitsorganisation) definiert Abhängigkeit (Sucht ist eine andere Bezeichnung von Abhängigkeit) so: „Typischerweise besteht ein starker Wunsch, die Substanz einzunehmen, Schwierigkeiten, den Konsum zu kontrollieren und anhaltender Substanzgebrauch trotz schädlicher Folgen. Dem Substanzgebrauch wird Vorrang vor anderen Aktivitäten und Verpflichtungen gegeben. Es entwickelt sich eine Toleranzerhöhung und manchmal ein körperliches Entzugssyndrom.“
Die beiden wichtigsten Informationen vorneweg, weil viele Mitmenschen aber auch suchtkranke Menschen dies häufig vergessen. Erstens: Sucht ist eine chronische Krankheit. Chronisch heißt, dass wenn ein Mensch diese Krankheit hat, dann wird er diese immer haben. Dafür das ein Mensch krank ist, kann er nichts. Jeder Mensch kann krank werden. Jemanden vorzuwerfen, dass sie/er (Sucht)Krank ist, ist unfair und ungerecht! Und doch geschieht gerade das, insbesondere bei suchterkrankten Menschen, häufig. Aber natürlich können und dürfen suchterkrankte Menschen, wie alle anderen (chronisch) erkrankten Menschen Fragen, wie sie mit ihrer Krankheit umgehen. Kranksein, auch wenn es eine chronische Krankheit ist, entbindet keinen Menschen, die Verantwortung für sein Handeln zu übernehmen.
Die zweite wichtige Information ist die, dass viele psychische Erkrankungen, und Sucht ist eine psychische Erkrankung, eine seelische Schutzfunktion haben. Dies kann man sich ungefähr folgender Maßen vorstellen: Die wahrgenommene Realität (es gibt keine objektive Realität) ist für das Leben so belastend, dass die Psyche einen Ausweg schaffen muss, damit die Realität ertragen werden kann. Bei ganz starken Belastungen kann dieser Schutz auch eine psychische Erkrankung sein. Das erlebte Gefühl durch eine heftige emotionale Situation oder durch immer wieder vorkommende Verletzungen führt dazu, dass man durch Suchtmittel das bestehende negative Gefühl abschalten möchte. Suchtmittel sollen uns den Schmerz nehmen oder zu mindestens dämpfen, das Gefühl der Traurigkeit, Einsamkeit, Alleinsein, des Nichts wert seins nehmen. Und es hilft; für Stunden. Danach kommen häufig Schuldgefühle, Scham und das mehr oder weniger bewusste Wissen, die negativen Gefühle kehren wieder. Insofern muss jeder Mensch der psychisch leidet und dessen Ursache nicht körperlich ist, ein einmaliges oder ein dauerhaftes/häufiges schlimmes Erlebnis erfahren haben.
Vielleicht noch eine dritte wichtige Information. Sucht ist nur ein Symptom. Es ist die Folge eines malignen (bösartigen) erlernten Gedanken / Gefühl. Zur Erläuterung ein Beispiel: Wenn man schon in Kindes- / Säuglingsalter erlebt hat, dass die ersten Bezugspersonen immer wieder nicht für einen da waren, wurden bestimmte Emotionen geweckt, wie zum Beispiel Wut, Trauer und vielleicht das Gefühl von Wertlosigkeit oder ähnlichen. Diese Gefühle taten sehr stark weh und man war ihnen wehrlos ausgesetzt. Trotzdem wird man Groß und Erwachsen. Erlebt man dann wieder eine Situation z.B. durch das Verlassen eines Freundes oder durch Nichtwertschätzung, dann können die gleichen heftigen evtl. existenziellen Gefühle wie damals hochkommen. Der gleiche Schmerz, die gleiche Verletztheit, die man kaum ertragen kann. Damit ist das Verlassen des Freundes oder die vorgekommene Nichtwertschätzung nicht die Ursache des negativen Gefühls, sondern „nur“ der Auslöser. Das Empfinden des Gefühls in dieser Situation wurde schon viel früher geprägt und das ist die eigentliche Ursache. Daher geht es bei Sucht hauptsächlich nicht um Sucht, sondern um das Leben. Wer zufrieden Abstinent werden will, muss sich mit seinem Leben auseinandersetzen.
Eine Chronische Krankheit ist nie heilbar. Suchtkranke werden immer Suchtkranke bleiben. Es geht um die Frage des Zustandes. Benötige der Erkrankte immer noch Suchtmittel bzw. Suchtverhalten oder ist er zufrieden und ohne die Suchtmittel/-zwänge. Dabei ist es wichtig, zufrieden Suchtfrei zu sein. Nur zu funktionieren ist meines Erachtens nicht wirklich leben. Ist ein Mensch über längere Zeit nicht zufrieden oder leidet, dann sollte etwas geändert werden. Die Statistik stellt fest, dass ungefähr 50% der Menschen die einen Entzug gemacht haben mindestens für ein Jahr suchtfrei bleiben. Von diesen 50% sind weitere 80% wesentlich länger als 1 Jahr suchtfrei, wenn sie sich Unterstützung holen wie zum Beispiel durch Selbsthilfegruppen, Therapeuten etc. Wenn die Suchterkrankung die Kompensation eines negativen Gefühls ist, also eine konkrete Ursache hat, ist es meines Erachtens möglich, die Krankheit zu so zu Händeln, dass man zufrieden suchtfrei sein kann. Was die Ursachen von Suchterkrankungen sind, erzähle ich Ihnen in meinem Podcast.
Leider gibt es keine Garantie, das eine Suchtfreiheit erreicht werden kann. Es gibt keinen Fahrplan, keine Anleitung, kein Buch, keinen Menschen der garantieren kann, dass ein suchtkranker Mensch suchtfrei zufrieden leben kann. Es ist aber möglich die Wahrscheinlichkeit zu erhöhen, dass ein suchterkrankter Mensch zufrieden suchtfrei leben kann. Die erste Voraussetzung ist, dass der suchterkranke es wollen muss. Wobei schon jetzt erwähnt ist, dass nur das wollen nicht ausreicht. Die meisten Suchterkrankten haben schon versucht und sich vorgenommen mit ihrem Suchtverhalten aufzuhören, aber das geht nicht. Wenn Sie dies könnten, wären diese Menschen ja nicht suchtkrank. Ein Symptom der Erkrankung ist ja gerade, dass man das Suchtverhalten fortführen muss, obwohl die negativen Folgen bekannt sind. Anderseits, wenn ein an Sucht erkrankter Mensch nicht will, können die besten Therapeuten der Welt nichts erreichen, dass ein Mensch zufrieden suchtfrei wird.
Es gibt ein großes Netzwerk an Hilfeleistung. Angefangen von Suchtberatungsstellen, Selbsthilfegruppe, Entzugsstationen, Tageskliniken und vieles mehr. Im Internet wird sicherlich in der Nähe eines jeden Ortes ein Suchthilfeangebot zu finden sein. Ist der Entzug vollzogen, gilt es, Sicherungen vor einem Rückfall zu schaffen. Wenn kein Suchtdruck besteht, sollten Auffanglinien geschaffen werden. Wenn man in Stress und unter Suchtdruck steht, ist es wesentlich schwieriger Maßnahmen zu ergreifen, die einen Rückfall verhindern. Daher ist es sinnvoll, schon vorher Notfallpläne zu schaffen. Ein Beispiel: Wenn ich traurig bin, dann werde ich meinem Freund anrufen. Gut ist auch, einen Plan b. und c. und d. zu haben. Im Leben gibt es immer Höhen und Tiefen. Daher sind Rückfallgefahren häufig vorhanden. Ja und Rückfälle können passieren. Nicht der Rückfall ist das wirkliche Schlimme, sondern wie mit dem Rückfall umgegangen wird. Wird sofort etwas dagegen unternommen oder wird resigniert.
Nur das Suchtmittel weglassen ist sehr schwierig und meistens nicht möglich. Das Suchtmittel/-verhalten hatte eine Funktion. Dafür muss etwas Gleichwertiges eingesetzt werden. Was das ist, was der Suchtkranke braucht, ist bei jedem Menschen unterschiedlich.
Eine weitere Notwendigkeit die sehr hilfreich sein kann ist die Achtsamkeit. Ein Rückfall erfolgt nicht bei der Suchtmitteleinahme, sondern schon viel früher. Meistens spüren die Menschen eher, dass etwas nicht im inneren Gleichgewicht ist. Sie spüren es viel früher, wie das sie es mit klaren Worten benennen können. Daher sollte gelernt werden, auf seinen Körper und seine Gefühle zu achten. Zu Wissen was die Ursache für die Suchterkrankung ist kann helfen, gezielt daran zu arbeiten und das nicht ausgeschöpfte Lebenspotenzial zu entfalten.